Schwarzwald und Kaiserstuhl per Velo

27.08.-01.09.2016
Ich mache mich allein auf den Weg, da Margrit mit Judith nach New York fliegt.
Samstag, 27.08.: Sempach Station – Wutöschingen (90 km)
Tagwache ist um 02:30 Uhr. Ich darf die beiden Damen zum Airport Zürich bringen. Theoretisch müssten sie um 04:45 Uhr dort sein, mindestens wird das von den Fluggesellschaften, die in die USA fliegen, so vorgeschrieben. Kurz nach drei sind wir bei Judith. Die vorgeschriebene Eintreffenszeit schaffen wir nicht ganz, aber die beiden werden dennoch abgefertigt.
Auf dem Rückweg besorge ich mir beim Tankstellenkiosk der Raststätte Neuenkirch ein kleines Zöpfli. Zuhause angekommen, geniesse ich das Zmorge aus Milch, Zöpfli und Frischkäse mit der neuen Zeitung. Der Abfall ist noch zu entsorgen, das Zmorgegeschirr muss abgewaschen werden, und verschiedene andere Aufgaben sind noch zu bewältigen, bevor ich dann die Velokleider anziehe. Kurz vor halb acht erfolgt der Start.
Dem linken Ufer des Sempachersees entlang erreiche ich zügig Sursee. Ich folge dem Sure-Radweg bis nach Suhr. Hier tanke ich das erste Mal: ein Fläschchen aromatisiertes Wasser vom Migros. Nun  erwische ich einen falschen Weg und komme nach Lenzburg. Aber der Fehler ist schnell korrigiert, bald ist der Aare-Radweg erreicht.
Am Klingnauer Becken kommt mir eine Gruppe Ornithologen entgegen. Aber ich kenne niemanden. Ein Nachzügler begrüsst mich dann mit Namen. Es ist René, der mit den Mitgliedern eines FOK (Feldornithologie-Kurs) heute eine Exkursion hierher leitete. Wir reden etwas miteinander, bis seine Gruppe plötzlich ausser Sichtweite ist. Ich beobachte auch noch einige Zeit mit dem Feldstecher und sehe u.a. viele Rostgänse, grosse Brachvögel, Schnatterenten, Kormorane, Reiherenten…
Bei Koblenz fahre ich über die Grenze, schaue mir beim Vorbeifahren Tiengen etwas genauer an, bestelle in einem Eiscafé ein Eiskaffee und einen halben Liter Eiswasser, besorge mir in einer Buchhandlung noch den bikeline-Führer zum Südschwarzwald-Radweg und beschliesse, in Lauchringen zu übernachten, da dort ein Freibad ist. Aber am ersten Ort ist zu wegen Ferien, den zweiten und dritten Ort verpasse ich. So habe ich Lauchringen hinter mir, und zurück fahre ich nicht gerne. Im nächsten Dorf, in Horheim ist das Hotel erst ab 17 Uhr offen. Ich beschliesse zu warten, setze mich in den Schatten und schreibe an diesem Bericht. Endlich fährt ein Paar mit Auto zu, aber es sind nicht die Wirte. Ich warte geduldig weiter, bis ein nächstes Autu zufährt mit dem Wirtepaar. Aber ich erhalte die Auskunft, dass kein Einzelzimmer mehr frei sei. Also fahre ich weiter nach Wutöschingen, wo gemäss Führer ein Hotel mit chinesischem Namen steht.
Das Hotel zu finden ist keine Kunst. Das Outfit macht den Sachverhalt klar. So finde ich eine saubere und gediegene Unterkunft in Wutöschingen. Nach der Dusche gehe ich zum Nachtessen in die Gaststube, und da wird ein Buffet mit lauter chinesischen Speisen zu einem günstigen Preis angeboten, wirklich fantastisch.
Nach einem kurzen Abendspaziergang im Dorf gehe ich bald schlafen.
 
Sonntag, 28.08.: Wutöschingen – Bonndorf (31 km, mit vielen Steigungen)

Der Tag beginnt nach gutem Schlaf schlecht. Um halb acht ist das Morgenessen nicht bereit, der chinesische Koch will acht Uhr verstanden haben. Als ich zum Velo komme, hat es vorne einen Platten. Der Schlauchwechsel geht zügig vonstatten, aber das Pumpen mit der kleinen Notpumpe macht Mühe. Zuletzt geht es doch, der Luftdruck ist einfach zu niedrig. Beim Überfahren von Kanten und Steinen schlägt die Felge auf. Nahe der Ausfahrt aus dem Dorf ist ein Schlauchautomat, wo man verschiedene Veloschläuche für acht Euro herauslassen kann. Ich besorge mir in einer nahen Bäckerei, die offen hat, das nötige Münz. Man weiss ja nie! Vielleicht ereignet sich erneut eine Panne. Frohen Mutes werfe ich die Münzen ein und drücke den richtigen Knopf, aber nichts geschieht. Und der Knopf, um die Geldstücke wieder herauszuholen, funktioniert auch nicht: Acht Euro zum Teufel! Ich bringe noch einen Kleber am Automaten an, dass er leer sei, packe die einzige Visitenkarte ein, die sich an der Ladentür befindet und steige mit dem Vorsatz aufs Velo, dem Automatenbesitzer ein E-Mail zu schreiben. Schläuche wollte er wohl verkaufen, aber der Kasten ist leer und eine Pumpe hat er auch nicht vor seinem Laden draussen. Als es dann zu streng wird mit Trampen, starte ich einen zweiten, erfolgreicheren Pumpversuch, und der klappt besser. Jedenfalls kann ich jetzt problemlos auf Naturstrassen fahre.
Die Fahrt ab Grimmelshofen hinauf nach Bonndorf zehrt an meinen Kräften. Mehrere Pausen, gelegentliches Schieben des Rades und viel, viel Wasser von Brunnen unterwegs verhelfen mir zum Erfolg.
Beim ersten Halt vor einer Herberge ist niemand da. Die zweite Nachfrage nach einem Zimmer ist dafür doppelt erfolgreich. Vor dem Gasthaus zum Kranz steht ein Car aus Beromünster. Im Restaurant sitzen viele Leute und bekommen gerade das Dessert serviert. Ich schaue mir die Leute nicht so genau an, als plötzlich eine Männerstimme hinter mir ertönt: „Peter, was machst denn du hier?“ Der Fragende ist Hugo von Sempach. Ich frage zurück, was er hier treibe, und es stellt sich heraus, dass es der Männerchor Sempach ist, der heute mit Partnerinnen seinen Jahresausflug unternimmt und hier im Kranz zu Mittag isst. Nun kenne ich natürlich mehrere Leute, und das hat ein grosses Hallo zur Folge. Damit erfolgt bereits die zweite Begegnung mit Bekannten auf meiner Tour. Gibt es noch weitere Begegnungen?
Nach verschiedenen Gesprächen, einem gemeinsamen Lied (Bajazzo), einem Bier zum Anstossen und Verabschiedung von allen ist jetzt Duschen angesagt. Den Rest des Nachmittags verbringe ich in der wunderschön angelegten Badi von Bonndorf. Das Nachtessen, ein Wildvoressen mit Spätzle, Preiselbeerkompott und Salat gibt mir wieder Energie für den morgigen Tag.
 
Montag, 29.08.: Bonndorf – Kirchzarten (68 km, mit vielen Steigungen und einer langen und rasanten Abfahrt)

Nach einem reichhaltigen Zmorge fahre ich diesmal problemlos weg. Zuerst verpasse ich zwar den Einstieg auf den richtigen Weg. Aber eine freundliche Dame, die mit ihrem Hund unterwegs ist, beschreibt mir die Route zum Einstieg sehr genau. Schnell finde ich den richtigen Radweg, und nun geht die Post ab. Ich komme zügig voran. Im Wald hoppelt mir ein Hase über den Weg und etwas später noch ein Eichhörnchen. Ich gelange auf den Bähnle-Radweg, der teilweise auf einem alten Bahntrassee und teilweise daneben verläuft. Alte Bahnhöfe zeugen von der historischen Bahnverbindung. Sie sind heute in Privatbesitz, und ihre Eigentümer haben sie ihren Vorstellungen entsprechend ausgestattet.
So gelange ich nach einigen Fotohalten nach Titisee. Gerade bei der Einfahrt ist ein Veloverleih mit angeschlossener Werkstätte. Jetzt kann ich mein Rad auf Vordermann bringen lassen. Ich kaufe mir einen neuen Schlauch, lasse die Kette ölen und die Reifen richtig pumpen.
Am Quai mache ich einen Halt, um den See und die Promenade zu fotografieren. Die halbe Weltbevölkerung ist hier versammelt und geniesst den Urlaub. Souvenir- und andere Läden sowie eine Unmenge von Restaurants und Imbissbuden säumen den Quai. Hier muss ich nicht bleiben. Und da immer noch die Sonne fehlt, ist auch ein Bad im See zu wenig attraktiv. So fahre ich weiter nach Hinterzarten. Hier ist nicht klar, ob das Wetter hält. Auf einmal beginnt’s zu nieseln. Zum Glück komm ich irgendwie mit dem Reservationssystem der Hotels und Pensionen nicht zurecht, und direkte Versuche auf dem Velo sind ebenfalls nicht erfolgreich. Zudem hört es auf zu nieseln. Ich beschliesse weiterzufahren.
Das nächste Ziel ist Kirchzarten, 22 km weiter, mit happigen Steigungen. Ich steige mehrmals vom Velo und schiebe. Im Gasthaus Engel, schon recht weit oben, bestelle ich mir eine Flasche kalten Wassers und einen Eiskaffee. Darauf geht’s weiter: fahren, schieben, fahren… Und plötzlich ist die Sicht frei auf den Feldberg. Mein Höhenmesser zeigt 1286 m an. Ab hier wird nur noch gefahren, vorerst noch etwas mühsam, aber dann immer rasanter. Und die Talfahrt ist wirklich rasant. Hie und da denke ich: Wie verhalte ich mich, wenn die Bremskabel reissen? Was geschieht, wenn etwas bricht am Velo? ….
Aber alles geht gut. Ich erreiche Oberried und wähle hier eine vom Routenplaner abweichende Variante, um nach Kirchzarten zu gelangen.
Die Suche nach einer Unterkunft ist nicht ganz einfach. Der Löwen hat heute geschlossen, ebenso Die Alte Post. Das Black Forest Hostel ist nur nach einigem Hin und Her zu finden, aber schon komplett. Der Besitzer telefoniert aber liebenswürdigerweise einer Frau Zähringer in der Katharina-Elisabeth-Strasse, und die hat noch freie Zimmer. So fahre ich hin und werde schon erwartet. Ich kann das Zimmer gleich beziehen, im Keller unten duschen und im Garten bei einem Bier diesen Bericht schreiben. Frau Zähringer bemüht sich sehr darum, dass es mir wohl ist.
Zum Nachtessen gehe ich in die Fussgängerzone. Im Spritzenhaus finde ich einen Tisch mit einem Spiegel lesenden Herrn. Er lässt sich nicht zu einem Gespräch verleiten. Als er sich verabschiedet, meint er noch: „Jetzt haben Sie den Tisch für sich.“ Schon bald fragt aber ein älteres Ehepaar, ob es sich zu mir setzen dürfe. In kürzester Zeit sind wir in ein anregendes Gespräch verwickelt, die Zeit vergeht wie im Fluge. Die beiden Leben in Greifswald, verbringen ihren Urlaub hier in ihrem Wohnmobil auf dem Campingplatz und sind in Kirchzarten, weil ihre Tochter hier lebt. Als dann ihr Essen serviert wird, mache ich mich auf den „Heimweg“.
Der heutige Tag war anstrengend, ein bisschen Ruhe tut gut. Dummerweise habe ich nach dem Essen einen Espresso getrunken. Ich finde den Schlaf lange nicht.
 
Dienstag, 30.08.: Kirchzarten – Bad Krozingen über den Kaiserstuhl (68 km)
Am Morgen bin ich schon früh munter. Da Frau Zähringer ebenfalls schon auf ist, gibt es schon um sieben Frühstück. So bin ich kurz nach halb acht abfahrbereit. Ich verabschiede mich von meiner sehr aufmerksamen und besorgten Gastgeberin und fahre recht rassig Richtung Freiburg. Am Stadtrand wird es etwas schwieriger, den richtigen Weg einzuschlagen. Jedenfalls lande ich, nachdem ich mit den Tramschienen nicht optimal zurecht kam, auf dem Domplatz. Die Sonne beginnt hier gerade Ihr ersten Strahlen auf den Platz und die umliegenden Gebäude zu werfen, die Bauern und ihre Helferinnen legen ihre Produkte auf den Markständen zurecht, und erst ganz wenige Käufer sind unterwegs. Ich suche das Tourismus-Büro und finde es problemlos beim Franziskanerplatz. Dort kaufe ich mir eine Karte mir den Velorouten im und um den Kaiserstuhl. Nun suche ich eine mir zusagende Stecke, die von Bahlingen nach Vogtsburg führt. Allerdings nun den Einstieg zu finden, macht mir sehr grosse Mühe. Entschädigt für die lange Suche nach dem Weg werde ich dadurch, dass genau zu der Zeit, als ich auf einer Brücke über einen Bewässerungskanal stehe, ein Eisvogel darunter durchpfeilt. Das blau leuchtende Gefieder und der schnelle geradlinige Flug sind unverkennbar
Baustellen und Umleitungen erschweren den Einstieg. Endlich erreiche ich dieses Bahlingen doch noch. Mir steht schon bald ein gepfefferter Aufstieg bevor. Gerade so lang und so steil habe ich mir das nicht vorgestellt. Ziemlich weit unten treffe ich ein älteres Paar aus Bremerhaven mit E-Bikes. Wir reden ein paar Worte miteinander und tauschen uns über bevorstehende und gemachte Touren aus.
Die Weiterfahrt bzw. das Weiterschieben stellt sich nun als recht happig heraus. Der Anstieg ist sehr steil und endlos. Nirgends ist ein Ende zu erkennen, da die Strasse durch den Wald verläuft, was allerdings bezüglich Schatten spenden vorteilhaft ist. Ziemlich am Ende meiner Kräfte erreiche ich die Schellinger Höhe, wo ich in einen süssen Apfel beisse und mir noch zwei Zwetschgen und eine Aprikose vom mitgenommenen Vorrat zusammen mit viel Wasser zuführe. Nun bin ich für die Abfahrt hinunter nach Vogtsburg bereit. Allerdings unterbreche ich sie einige Male, um Fotos zu knipsen, denn die Aussichten und die Landschaft sind wirklich einmalig.
In Breisach angekommen, belohne ich mich mit einem Schwarzwaldbecher und einem halben Liter Wasser in einem Strassencafé: herrlich! Zudem studiere ich nun die Karte: Wohin soll es gehen? In der Nähe von Hartheim lockt ein Badesee. Und vielleicht findet sich da auch eine Unterkunft.
Die Abkühlung im See tut sehr gut. Ich nehme ein ausgiebiges Bad, lasse mich anschliessend von der Sonne trocknen und steige wieder in meine ebenfalls getrockneten Velokleider. In Hartheim finde ich keine Hinweise auf eine bestehende Unterkunft. So fahre ich durch bis Bad Krozingen und frage im Tourismus-Büro nach einer Unterkunft. Die Dame am Desk bemüht sich sehr um mich, telefoniert herum und kann mir in kurzer Zeit ein Zimmer nach meinem Gusto vermitteln. Sie erklärt mir etwas später umständlich den Weg zum gewählten Hotel, ich verwechsle wieder mal rechts und links, erkenne aber die Verwechslung in vertretbarer Zeit und finde das Hotel doch noch, nicht ganz gemäss dem geschilderten Weg.
Duschen, Frisch machen, am Bericht schreiben, und schon ist Nachtessenszeit. Im gekühlten Gartenrestaurant des Löwen werde ich fündig und verspeise einen gemischten Salat, alles frisch zubereitet, und den Grossteil einer Portion Käsespätzle mit Röstzwiebeln. Dazu gehört ein grosses Pils. Und darauf geh ich schon bald schlafen. Den finde ich leicht.
 
Mittwoch, 31.08.: Bad Krozingen – Bad Säckingen über den Dinkelberg (88 km)

Schon ab sieben gibt es Frühstück. Das Buffet ist sehr reichhaltig.
Vor acht kann ich mich aufs Rad schwingen, wobei so schwungvoll geht es auch nicht mehr. Aber schnell bin ich auf der richtigen Route und komme zügig voran. Hie und da mache ich auch ein Foto oder betrachte eine der zahlreich am Wegrand stehenden Tafeln zu Natur- und Gewässerschutz oder zu Schutzmassnahmen gegen Hochwassergefahren. Nach der Wahl einer Wegvariante, die von der Normalroute über Basel abweicht, ist die Markierung des Wegs teilweise schlechter. Jedenfalls mache hie und da eine Zusatzschlaufe. Unterwegs lasse ich mich durch die viel weniger stark durch den Menschen beanspruchten Areale beeindrucken, ärgere mich aber oft auch über den Kehricht, der überall herumliegt oder über Neophyten, die riesige Flächen vereinnahmt haben.
Unterwegs pausiere ich hie und da, speziell nach gröberen Steigungen, und labe mich mit einem Schluck Wasser und/oder mit einem Apfel oder mit Studentenfutter.
Einige Kilometer vor meinem unterwegs gesetzten Ziel, Bad Säckingen, geht mir allmählich die Durchhaltekraft aus. Da sehe ich unten am Rhein jemand baden. Vielleicht würde mir das auch helfen, mich etwas zu erholen und mir wieder neue Energie zu geben. Ich fahre die recht steile Rampe zum Rhein hinunter, erkundige mich beim Radfahrerpaar, das sich hier aufhält über die Bademöglichkeit und stehe schon bald in der Badehose da. Ich beschliesse, mich etwas weiter rheinaufwärts ins Wasser zu begeben, um mich vom fliessenden Wasser dann wieder an meinen Standort treiben zu lassen.  An der Stelle, wo ich ins Wasser steigen möchte, spielen ein paar junge Leute Fussball. Wie mich dem Platz nähere, rollt ihr Ball auf mich zu. Ich spiele mit dem rechten Fuss den Ball zurück. Dabei fährt mir aber ein schneidender Schmerz in den grossen Zeh, und ich konstatiere, dass Blut aus einer recht grossen Wunde am Zeh fliesst. Da lag ein Stück Eisenzaun gut versteckt im Gras, und ein Draht davon hat sich beim Schlag auf den Ball in meinen Zeh gebohrt und eine massive Wunde verursacht. Ich begebe mich sofort ins kühle Wasser, was zur Folge hat, dass die Blutung abstellt. Genüsslich lasse ich mich die paar Meter hinuntertreiben und steige wieder an Land. Da setzt die Blutung erneut ein. So wiederhole ich das Prozedere und klage dem Manne, der sich als Wolfgang vorstellt, mein Leid. Er erklärt sich sofort bereit, meine Wunde zu verarzten, da er mal einen Hilfspflegerinnenkurs gemacht habe und sich mit solchen Situationen auskenne. Also hole ich aus meiner Apotheke verschiedene Wundpflaster und lasse den freundlichen Helfer gewähren. Seine Frau hat sich kurz vorher ebenfalls ins Wasser begeben und lässt sich weiter nach unten treiben. Wolfgang fordert mich auf, mich auf den Boden zu legen, den rechten Fuss in die Höhe zu strecken und übernimmt die Wundversorgung. Mit Haushaltpapier tupft er das Blut weg, kontrolliert, ob noch Fremdkörper in der Wunde sind und trocknet die Umgebung. Dann deckt er mit einem Pflaster die Wunde ab und schaut, dass die Klebflächen gut halten. Zwar verspüre ich immer noch etwas Schmerzen, aber die Blutung ist gestillt. Nachdem ich mich angezogen und wieder fahrbereit gemacht habe, verabschiede ich mich von Wolfgang mit dem besten Dank für die vorzügliche Betreuung. Er gibt mir gleich auch noch die Adresse des Hotels mit, das er und seine Frau letzte Nacht nutzten. So fahre ich direkt zur zentral gelegenen Unterkunft und bekomme dort problemlos ein Zimmer.
Nach dem Duschen und Umkleiden gehe ich zuerst in eine Apotheke um mir ein Desinfektionsmittel und geeignete Pflaster zu kaufen, denn bei der Hinfahrt hat die Wunde wieder zu bluten begonnen. Auf einem stillen Bänklein versorge ich sie und begebe mich anschliessend zum gemütlichen Teil ins Städtchen. Bad Säckingen ist eine wunderschöne Kleinstadt mit einem Schloss, einem Park, einer prächtigen Kirche und mit vielen restaurierten und mit Blumen verzierten alten Häusern. In einer Pizzeria geniesse ich eine Pizza, unterhalte mich mit einem Schweizer Ehepaar, das davon gehört hat, dass hier die Pizzas sehr gut und preiswert sind und geniesse den «Feierabend».
Die Nacht ist mühsam. Der grosse, rechte Zeh schmerzt stark, und ich habe immer Angst, dass er plötzlich wieder zu bluten beginnt. Unausgeschlafen stehe ich am anderen Morgen auf.
 
Donnerstag, 01.09.: Bad Säckingen – Koblenz (32 km)

Nach dem Morgenessen leiste ich mir, mich in Bad Säckingen etwas umzuschauen. Ich sehe mir noch die wichtigsten Bauwerke an.
Dann mache ich mich auf den Weg. Da meine grosse rechte Zehe sich immer wieder unangenehm bemerkbar macht, beschliesse ich schon bald, bereits in Koblenz den Zug Richtung nach Hause zu besteigen. In Waldshut mache ich einen längeren Zwischenhalt und besorge mir ein paar Mitbringsel für Margrit aus einem Reformhaus mit Bio-Produkten.
Dann nehme ich den letzten Hügel unter die Räder. Der Veloweg führt nämlich nicht einfach der Hauptstrasse entlang. Über die Rheinbrücke nach Koblenz erreiche ich wieder die Schweiz und mache mich auf den Weg zum Bahnhof. Mir bleibt genügend Zeit, ein Billett für mein Fahrrad zu lösen. Über Baden und Olten erreiche ich Sempach Station – zu Hause.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert